Die Pandemie stellte uns vor neue Bedingungen. Über einen längeren Zeitraum waren keine gemeinsamen Treffen möglich oder nur in ganz kleinen Gruppen. Wie hielten wir Verbindung, mit Gerleve, untereinander?
Was stärkt und trägt uns? Hier kommen einzelne Mitglieder aus der Oblatengemeinschaft zu Wort:
Die Regel Benedikts aus der Sicht eines Oblaten
Von Obl. OSB Raphael Tobias Stehmans der Abteil Gerleve (Billerbeck)
Einleitung
Die Regel Benedikts ist eine der bekanntesten Ordensregeln. Nach dieser Regel leben alle Menschen, die sich in die benediktinische Tradition stellen. Diese Einführung in die Regel Benedikts ist die überarbeitete Version eines Vortrags, den ich im Rahmen eines Seminars der theologisch-philosophischen Hochschule in Münster am 16.12.2021 auf Einladung von Herrn Dr. Christian Uhrig halten durfte. Für diese Gelegenheit und den hoch interessanten Austausch möchte ich mich nochmals ganz herzlich bedanken.
Die Regel ist ein praktischer Weg christlichen Lebens. Das Christentum ist eine praktische Religion, die nicht aus der Theorie oder aus einer Erkenntnis lebt. Sie ist sozusagen eine Philosophie der Tat. So ist auch die Bedeutung von „Glauben“ im jüdisch/christlichen Kontext nicht primär das „Führ wahr halten“, sondern das Vertrauen und Leben aus einer Beziehung heraus. Sekundär ergibt sich daraus, dass man bestimmte Dinge für wahr hält. Deshalb ist die Gnosis, die eine Erkenntnis für primär im Glauben hält, einer der größten Gegenspieler des Christentums, die auf ganz unterschiedlichen Wegen Einfluss genommen hat und nimmt. Dieser Einfluss ist häufig den Menschen und den Denkrichtungen, die diesem Einfluss unterliegen nicht (so) bewusst. In vielen Bezügen ist es wichtig, den jüdischen Hintergrund des AT und des NT! zu kennen, weil wir das Christentum ohne diesen Kontext nicht oder falsch verstehen. So kann das Leben aus der Regel Benedikts nur ein Leben aus der Beziehung zu Gott, den Oblatengeschwistern, den christlichen Geschwistern und allen Menschen und letztlich allen Geschöpfen sein. „Alles was atmet, lobet den Herrn!“ Christliche Spiritualität ist keine beziehungslose Versenkung in sich selbst oder nur in Gott. Es ist vielmehr ein sehr praktisches Leben aus der Beziehung zu Gott und! den Menschen, die von Realismus geprägt ist. Dies und die Dankbarkeit für den wirksamen Weg der benediktinischen Spiritualität sind für mich wichtige Ausgangspunkte für meinen Weg als Benediktineroblate.
Benediktineroblatinnen und -oblaten sind Menschen, die außerhalb eines Klosters leben und nach der Regel Benedikts nicht notwendig zölibatär leben. Hier können Aspekte dieses Lebens sicherlich nur angerissen werden. Es ist für uns Oblatinnen und Oblaten nicht nur eine (Lern-)Aufgabe innerhalb des Noviziats, das mindestens ein bis zwei Jahre umfasst, sondern letztlich eine lebenslange Aufgabe.
Was ist aber das Spezifikum des benediktinischen Lebens als Oblatin/als Oblate? Darauf gibt es sicherlich unterschiedliche Antworten. Ich kann hier nur meine Antwort als eine mögliche Antwort unter vielen Verständnisweisen darstellen. Mein Ausgangspunkt sind die benediktinischen Gelübde, die auch wir Oblatinnen und Oblaten in spezifischer Form ablegen: Das sind die Stabilitas (Beständigkeit), die Oboedentia (der spezifisch benediktinische Gehorsam) und die conversatio morum (die benediktinische Lebensweise aus einer ständigen Bekehrung {klösterliche Lebensweise}). Für mich ist das Spezifikum des benediktinischen Weges als Oblatin/Oblate eine besondere Art der Verbindlichkeit im christlichem Leben, die sich in der Stabilitas und in der Oboedentia ausdrückt, und eine besondere Art der christlichen Lebensweise, die wir in der conversatio morum zusammenfassen.
Ergänzend möchte ich auf einige Werkzeuge geistlicher Kunst und einige Aspekte der Führung eingehen. Schließlich werde ich beispielhaft auf einige wichtige Fragen unserer Zeit eingehen und die spezifisch christliche bzw. benediktinische Antwort auf diese Fragen anreißen.
Schon im Kloster sind viele Teile der Regel nicht ohne weiteres auf die heutige Situation übertragbar. Sie enthält allerdings selbst viele Anknüpfungspunkte für eine große Flexibilität, die gleichwohl nicht ohne Ordnung auskommt. Benediktinisches Leben ist das Leben unter Regel und! Abt. Das entspricht dem katholischen Prinzip von Schrift und Tradition. Nicht allein der Text der Regel, sondern die gelebte benediktinische Tradition ist für uns maß-gebend. Der Abt ist sozusagen die Verkörperung der Tradition eines ganz bestimmten Klosters. So ist die Verpflichtung der Regel keine Verpflichtung auf einen Orden, sondern auf ein konkretes Kloster, eine konkrete Gemeinschaft. Für das Leben als Benediktineroblatin/-oblate gilt dies auch.
Vieles in der Regel ist allerdings zeitbedingt. So wird der Gehorsam im 21. Jahrhundert ein anderer Gehorsam sein als zu Zeiten Benedikts. Für Oblatinnen und Oblaten gibt es zwei große Gefahren, die sich im Kloster nicht in gleicher Weise darstellen. Einerseits verführt der Zeitgeist dazu, nur das aus der Regel für sich anzunehmen, was angenehm erscheint, so dass die Prägung durch die Regel nur marginal ist. Dies entspricht nicht dem Geist der Regel. Auf der anderen Seite gibt es auch die Versuchung, das Leben als Oblatin/als Oblate als kleines Mönchtum zu gestalten. Dies bleibt auch sehr an der Oberfläche und man macht es sich auch damit aus meiner Sicht zu leicht. Es geht vielmehr darum, das eigene Leben in der „Welt“ durch die Regel, den Abt bzw. die Tradition des konkreten Klosters, die der Abt repräsentiert tief prägen zu lassen.
Die Regel hat sicherlich viele Anknüpfungspunkte, die den heutigen Menschen unmittelbar ansprechen. Das benediktinische „Horche“ bzw. „Höre“ hat viele Überschneidungspunkte mit dem modernen Begriff der Achtsamkeit. Die Suche nach einem einfachen Leben mag mancher hinter Klostermauern suchen. Gastfreundschaft ist etwas, das benediktinische Gemeinschaften weit über die Grenzen der „Religiösen“ attraktiv macht. Hier soll es aber einmal um das Besondere des Benediktinischen und insbesondere eines benediktinischen Lebens außerhalb eines Lebens hinter Klostermauern und auch außerhalb von Gemeinschaften von zölibatär lebenden Menschen gehen. Ich bin überzeugt, dass damit mehr Klarheit verbunden ist, als wenn ich von den Gemeinsamkeiten ausgehen würde. Es gibt viele Menschen, die sich von der Regel Benedikts für ihr alltägliches Leben inspirieren lassen. Hier soll es aber um das Leben als Benediktineroblate gehen.
Oblatinnen und Oblaten leben in einer in erster Linie spirituellen Verbindlichkeit nach der Regel Benedikts, ohne in einem Kloster oder notwendigerweise zölibatär zu leben. Ihr Leben ist das Bemühen, den Geist der Regel in ihrem persönlichen Leben, in der Oblatengemeinschaft und der Gemeinschaft mit dem Kloster zu verwirklichen, dem sie sich gegenüber verpflichtet haben. Sie sehen darin ihren persönlichen Weg, christlich zu leben.
Der Weg zu dieser Verbindlichkeit geht wie der Weg von benediktinischen Ordensleuten über mehrere Stufen. Die erste Stufe ist der sich unverbindlich für diesen Weg und dieses Kloster interessierende Mensch. Man lernt sich gegenseitig kennen, ohne sich verpflichtet zu haben. Man kann sagen, es geht darum zu prüfen, ob die „Chemie“ stimmt und ob die Regel Benedikts wirklich zum eigenen Leben passt.
Die nächste Stufe der Verbindlichkeit ist das Noviziat. Hier geht es um die Verpflichtung sich ernsthaft zu prüfen, ob das Leben als Oblatin oder Oblate in einer konkreten Gemeinschaft zu einem Menschen passt. Dazu bedarf es des intensiven Studiums der Regel, der persönlichen Auseinandersetzung mit dieser Regel und der Form, wie diese Regel in dieser Gemeinschaft gelebt wird.
Schließlich verpflichtet sich die Oblatin/der Oblate in einer besonderen Feier und in einem eigenhändig geschriebenen Dokument lebenslang nach der Regel Benedikts in Gemeinschaft mit einem konkreten Kloster, der Klostergemeinschaft und der Oblatinnen und Oblaten dieses Klosters zu leben. Das Dokument wird im Kloster verwahrt und ist Symbol dieser lebenslangen Verpflichtung.
Die Gelübde
Oboentia
Die Regel beginnt mit dem Wort „Horche“ und dieses Wort war das erste Wort, dass meinen Weg zum benediktinischen Weg konkret machte. Der deutsche Begriff „Gehorsam“ kann gerade auf dem Hintergrund unserer Geschichte schnell zu Fehlinterpretationen führen, so dass ich den lateinischen Begriff „oboedentia“ bevorzuge. Der erste Schritt ist das Horchen, die Achtsamkeit auf die Menschen, mit denen man lebt, die (biblischen) Texte, das eigene Gewissen und die anderen Zeichen, durch die Gott mich leiten möchte. Horchen ist aber noch keine Oboedentia, es muss der Wille dazukommen auch verstehen zu wollen, was einem gesagt werden soll, und dann schließlich der Wille, dem Verstandenen auch zu folgen.
Dies wird praktisch im Gebet der Psalmen, der Lektüre biblischer Texte und der Verankerung im eigenen Leben durch das Leben in Gemeinschaft und die praktische Arbeit (ora, lege et labora). Das benediktinische Verständnis von Gebet geht nicht davon aus, dass primär ein persönliches Wort an Gott gerichtet wird. Ausgangspunkt ist vielmehr das Wort der Heiligen Schrift, das ausgesprochen wird, um sich durch sein Wort mit Gott zu verbinden, so dass in seinem Wort auch das an mich spezifisch gerichtete Wort im Gebet aufleuchten kann. Aus unserer Überzeugung ist die ganze Bibel in den Psalmen enthalten, so dass sie als ganz wesentliche Texte die benediktinische Spiritualität prägen. Auf der anderen Seite sind die Psalmen ein Spiegel der menschlichen Seele, weil alle erdenklichen Gefühle und Stimmungen in den Psalmen ausgebreitet werden.
Die häufige Engführung im Gebet auf Bitte und Dankbarkeit wird in den Kreis anderer Gefühle (Zorn, Hass, Verzweiflung, Liebe, Begeisterung etc.) eingeordnet. Insofern ist das Psalmengebet nicht ein langsames nachvollziehen der Texte, sondern vielmehr die ständige und relativ schnelle Wiederholung, in der einzelne Worte oder Sätze aufleuchten können. Dieses Aufleuchten wird in der benediktinische Spiritualität als von Gott kommend verstanden. Es bedarf natürlich des Geistes der Unterscheidung (ein Aspekt der benediktinischen discretio), denn nicht alles, was einem im Gebet „in den Sinn kommt“, kommt auch wirklich von Gott. Neben der ehrlichen Auseinandersetzung mit den Texten und sich selbst, hat der Oblatenrektor, der die Oblatinnen und Oblaten führt, der Abt und auch die Gemeinschaft der Oblatinnen und Oblaten dabei eine wichtige Rolle.
Die Lektüre (lege) der biblischen Texte ist ein zweiter Weg, um sich von Gott ansprechen zu lassen. Auch dies ist kein rein intellektueller Zugang zu den Texten der Heiligen Schrift. Es geht nicht so sehr darum, was die Texte historisch oder was sie heute allgemein zu bedeuten haben. Die lectio devina, die göttliche Lektüre geht als spezifische Methode von der Frage aus: Was will mir! heute! Gott mit diesem Text sagen? Methodisch gehört natürlich auch die Einordnung im Zusammenhang der Bibel und die historischen Zusammenhänge zur lectio devina, aber das Ziel ist keine objektive Erkenntnis über diesen Text sondern die Antwort auf diese Frage nach dem Sinn für meine gegenwärtige Situation. Dazu ist es erforderlich auf dem Text wie eine Kuh auf dem Gras immer wieder zu kauen (ruminare), bis diese Antwort entstehen kann und sie auch der Prüfung durch die Unterscheidung der Geister standhält.
Das ist die konkrete Ausformung der Bereitschaft sich prägen, sich formen zu lassen. Das Psalmengebet, die Lectio und die ständige Wiederholung der Kapitel der Regel dienen der Prägung des Lebens und der eigenen Persönlichkeit. So weben sich die Worte immer mehr in das eigene Leben, so dass es gar nicht so selten ist, dass in konkreten Situationen mir ein Wort, ein Vers einfällt, das bzw. der auf die Situation passt.
Die Arbeit (labora) ist der dritte Weg, um das Horchen zu trainieren. Ja der benediktinische Weg ist ein Training! Das ist die ursprüngliche Bedeutung von Askese. Askese klingt für uns häufig nach Verzicht, sich aufopfern etc. Das ist aber der falsche Ausgangspunkt. Die Regula ist davon geprägt, dass die Spiritualität eines Trainings, einer Übung bedarf. Es ist wie auch sonst in einer Beziehung. Alles ist Gnade, durch nichts kann man sich eine Beziehung verdienen. Und trotzdem: In Beziehung zu leben bedarf der Übung und der Anstrengung. Das bedeutet auch, dass man in einer Beziehung auf manche Dinge verzichten muss. In einer glücklichen und eingeübten Beziehung wird dieser Verzicht nicht mehr als solcher empfunden. Es gehört aber zum christlichen Realismus, dass man anerkennt, dass das nicht von Anfang an und auch in einer guten Beziehung nicht immer so ist.
Arbeit im benediktinischen Sinne ist zunächst nicht Erwerbsarbeit, es ist primär körperliches Tun. Dies hatte in der Antike eine besondere Bedeutung, denn im antiken Weltbild war körperliche Arbeit niedrige Arbeit. Benedikt erkennt aber den Wert und auch den spirituellen Wert der körperlichen Arbeit. Es ist jedenfalls ein Tun für andere Menschen. Das kann dann auch geistige Arbeit sein, auch wenn das nicht primär gemeint ist. Es geht vor allem um die Haltung bei der Arbeit. Dies hat etwas mit dem Begriff des Opfers zu tun. Durch Tod und Auferstehung Christi gibt es eigentlich kein christliches Opfer mehr. Opfer heißt ursprünglich nicht der Verzicht auf etwas, sondern primär etwas vor Gott hinstellen. Sich opfern bedeutet also, sich selbst vor Gott hinzustellen. Dies hat Christus in so einzigartiger Weise stellvertretend für uns alle getan, so dass ein Opfer in diesem Sinne eigentlich nicht mehr nötig ist. Trotzdem ist es ein guter christlicher Weg, das eigene Tun, die eigenen Gedanken und letztlich sich selbst immer wieder vor Gott hinzustellen. Das ist auch die Haltung bei der benediktinischen Arbeit. Das eigene Tun ist immer ein Tun im Angesicht Gottes. Daraus kann dann sekundär auch die Notwendigkeit zum Verzicht entstehen. Dieser Verzicht ist aber nie Selbstzweck, er dient immer der Beziehung.
Für mich als Oblate bedeutet das, das jede Tätigkeit in der Familie eine solche Arbeit ist. Es ist egal, ob ich für die Familie koche, einkaufe, den Müll raustrage, putze etc., es ist oder sollte immer eine Tätigkeit sein, die ich Gott hinhalte. Es ist aber auch die Tätigkeit im Gottesdienst der Gemeinde oder jede andere Tätigkeit für die Gemeinde. Natürlich ist es schließlich auch meine Erwerbsarbeit. Es ist das praktische Tun in meiner Arbeit einschließlich der Führungstätigkeit.
Gastfreundschaft ist eine benediktinische Tugend, denn im Gast, im Fremden begegnen wir Christus. Die Gastfreundschaft ist neben anderen Aspekten auch eine besondere Form des Hörens bzw. die Eröffnung der Möglichkeit zu Hören. Für ein Kloster sind es die Menschen, die zum Kloster kommen. Für mich sind es auch die Menschen, die mir in meinem Leben begegnen. Dies kann in der Stadt, auf der Arbeit oder zu Hause sein. Gerade wenn es fremde Menschen sind, kann ich in Ihnen nach meiner Überzeugung Christus begegnen.
Benediktinisches Leben ist wesentlich ein Leben in Gemeinschaft. Für eine Bendektineroblatin, einen Bendiktineroblaten ist dies das Leben in der Oblatengemeinschaft, in der Beziehung zum Kloster, aber im Alltag noch vielmehr in der Gemeinde und in der Familie und der Gemeinschaft am Arbeitsplatz. Die besondere Prägung ist das Hören aufeinander. Wie geht es den Mitmenschen? Was sind ihre Bedürfnisse? Wie kann ein Zusammenleben gelingen? Es geht dabei nicht um den Status der Menschen, denn die Regel sagt, oft sind es die Fremden, die Gäste und auch die Jüngeren, die uns etwas über die Wahrheit sagen können. Der fast wichtigste Punkt ist die Vermeidung des Murrens, es ist diese Klage, ohne Bereitschaft zur Veränderung oder zum Engagement, das Gift für jede Gemeinschaft ist. Darüber hinaus geht es um den Gehorsam ohne zu zögern. Ein wahres Geschenk für jede Gemeinschaft! Auf eine Bitte nicht zögerlich, nicht widerwillig, nicht mit Einwänden oder mit der Ankündigung, es irgendwann zu tun, zu antworten, macht das Leben so viel besser!
Das ist natürlich ein Ideal, das auch nicht immer passt und nicht immer erfüllbar ist. Aber ich habe es als hilfreich erlebt, es gerade in den einfachen Dingen zu verinnerlichen, so dass es eines guten Arguments bedarf, einer Bitte nicht sofort nachzukommen. Das Schöne ist, dass mir häufig gar nicht so schnell ein Argument einfällt.
Conversatio morum
Die conversatio morum ist sicherlich einer der Begriffe der Regel, der besonders schwer in das Leben außerhalb der Klostermauern zu übersetzen ist. Die Conversatio ist das Leben des Conversen. Das ist einerseits das Leben der Ordensleute, aber es ist auch das Leben aller Christinnen und Christen. Es ist eine Umkehr aus dem Leben vor der Taufe bzw. vor der bewussten Entscheidung für das christliche Leben. Es ist letztlich aber eine ständige Umkehr, die das Leben eines praktizierenden Christen prägt. Es ist der sich ständig wiederholende Dreischritt der Abkehr vom Falschen, der Hinkehr zum Guten und letztlich der wirklichen Zukehr zum Wahren. Spezifisch benediktinisch ist der Maßstab der Psalmen, der Heiligen Schrift, der Gemeinschaft(en) und der Regel. Es geht z.B. um die Discretio, also das Bemühen in allen Dingen das richtige Maß zu finden. Es ist aber auch der Mut, sich in den Dienst der Gemeinschaften nehmen zu lassen, in denen man lebt. Das meint die Demut jenseits der zeitbedingten (Fehl-)Formen: Den Mut zu dienen!
Stabilitas
Etwas, das gerade in unserer Zeit eine besondere Bedeutung hat, ist die stabilitas. Primär meint die Regel die stabilitas loci, also die benediktinische Verpflichtung am Ort des einen Klosters zu bleiben. Dies meint natürlich für Oblatinnen und Oblaten nicht das Leben am Ort des Klosters, sondern die bleibende Verbindung zu diesem Kloster. Dann ist aber auch gemeint, dem eigenen Wohn- und Lebensort verbunden zu bleiben. Natürlich kann je nach Lebensumständen die Beständigkeit an einem Ort zu bleiben, im Leben der Oblatinnen und Oblaten nicht immer verwirklicht werden. Der benediktinische Geist meint für uns, in dem gewählten Ort den Sinn unseres Lebens zu finden. Nicht gemeint sind Situationen, in denen berufliche oder private Aspekte jemanden zum Ortswechsel drängen. Für die benediktinische Spiritualität hat die stabilitas in verschiedener Bedeutung darüber hinaus einen sehr tiefen Sinn. So geht es für die angehenden Oblatinnen und Oblaten zunächst einmal darum, sich an ein bestimmtes Kloster zu binden und nicht nach den vielleicht besonders schön oder interessant erscheinenden Angeboten anderer Klöster zu schauen. Die Spiritualität eines Klosters zu verstehen und im eigenen Leben zu verwirklichen, ist eine lebenslange Aufgabe. Genauso wichtig ist es aber auch, sich nicht von anderen Traditionen, anderen Wegen ablenken zu lassen. Das bedeutet zwar nicht, dass alles nicht unmittelbar Benediktinische für Oblatinnen und Oblaten quasi verboten wäre. Aus meiner Sicht gehört jedoch schon dazu, besonders am Anfang sehr vorsichtig mit anderen Angeboten zu sein. Das Hopping zu dem Neuen, Reizvollen ist, so glaube ich, eine besondere Versuchung unserer Zeit, da es so viele Angebote gibt. Da verliert man sich leicht zwischen christlichem Zen, christlichem Yoga, meditativem Tanzen, Herzensgebet … etc. etc.
Geistlich hat die stabilitas aber auch noch eine spezifische Bedeutung für die Oblatinnen und Oblaten. Das ist das Leben in der Gemeinde. Gerade im großstädtischen Zusammenhang gibt es die Wahl zwischen verschiedenen Gemeinden und zwischen verschiedenen Gruppierungen innerhalb der Gemeinde. Auch da kann die stabilitas etwas sein, dass dem eigenen Leben als Christin/als Christ durchaus dienlich ist.
Die Werkzeuge der geistlichen Kunst
Das vierte Kapitel der Regula befasst sich mit den Werkzeugen der geistlichen Kunst. Wir haben heute Tools für alles Erdenkliche, so dass uns auch dieser Gedanken der Werkzeuge im geistlichen Sinn ansprechen kann. Ich kann hier nicht auf alle Werkzeuge eingehen, aber ich möchte mich doch beispielhaft mit einigen Werkzeugen beschäftigen.
Die wichtigsten Werkzeuge stehen direkt am Anfang. Es sind die beiden Gebote der Gottes- und der Nächstenliebe, die uns Christus gegeben hat. Hier wird die Liebe mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft für unserer Leben als Werkzeug angesehen. Nicht der Hass, der Zorn, das Murren, das Lamentieren dient dem Leben. Es ist die Liebe! Hier lauert allerdings ein Missverständnis, denn die Liebe ist in unserer Welt zunächst ein Gefühl, ein sich zu jemandem Hingezogen fühlen. Hier geht es aber um das Wohlmeinen ohne Voraussetzungen, ohne Bedingungen. Es geht also nicht um ein Gefühl oder darum, ob mir der andere Mensch oder Gott guttut. Es geht um die Haltung, es gut mit dem Anderen zu meinen. Da wo ein Kind nicht das tut, was wir als Eltern wollen, kann sich diese Haltung zeigen. Eltern haben häufig eine Idee für das Leben ihrer Kinder. Solange sie dieser Idee folgen, haben sie auch positive Gefühle. Wenn Kinder aber ganz von dieser Idee abweichen, weil diese Idee nicht zu ihrem Leben passt, dann zeigt sich, was hier mit Liebe gemeint ist. Wie oft gehen wir auch mit Gott so um. Wir machen praktisch einen Deal: Uns geht es gut mit dem Glauben, also glauben wir und leben auch danach. Gott ist mit uns anders: Er liebt uns ohne Voraussetzung und ohne Bedingung. Wir können noch so weit vor ihm weglaufen, aber wenn wir uns umdrehen, steht er bildlich gesprochen direkt hinter uns. Unser Glauben, unsere Liebe ist die Antwort in unserer Haltung Gott und den Menschen gegenüber.
Alle anderen Werkzeuge sind Hilfsmittel für diesen Weg. Das Fasten z.B. hat keinen Sinn an sich. Gott möchte nicht, das wir hungern. Die Regel weiß aber darum, dass der volle Bauch nicht gerne denkt. Benediktinisch ist zunächst, dass alle das Notwendige bekommen. Die zeitliche Verzögerung der Mahlzeiten, soll den Geist wachhalten, sich auf Gott und die Menschen auszurichten. Eine sehr schöne Regel ist: Den Zorn nicht zur Tat werden zu lassen. Das ist christlicher Realismus. Zorn meint hier den Jähzorn, denn Zorn ist die Wut über eine Ungerechtigkeit. Das ist eine christliche Tugend! Die Regel kennt die Menschen, die manchmal ungerecht zornig werden, auch wenn sie es nicht wollen. Dann aber sich einzuschärfen, wenn ich die ungerechte Wut in mir spüre zu zögern, zu warten und nicht zur Tat oder zum Wort zu schreiten, ist ein gutes Werkzeug.
Das Wichtigste neben den ersten zwei Werkzeugen der Gottes- und der Nächstenliebe ist: An Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln. Auch das ist christlicher Realismus! Wir kennen das Ideal der Liebe, wir wissen aber auch um unser Scheitern und damit die Bedeutung des Wissens um die Barmherzigkeit Gottes.
Auch die anderen Kapitel enthalten Werkzeuge der geistlichen Kunst. Das sechste Kapitel über die Schweigsamkeit ist ein wichtiges Kapitel. Allerdings gibt es auch hier Missverständnisse für das Leben der Oblatinnen und Oblaten. Es geht für uns nicht in erster Linie darum, schweigend in unserer Kammer zu sitzen und sich dem Trubel unseres Alltags zu entziehen, auch wenn das sicherlich zum Leben von Oblatinnen und Oblaten gehört. Aus meiner Sicht ist es viel wichtiger, sich im täglichen Leben den vielen Worten, der Ratschläge, des besser Wissens und insbesondere der Einwände gegen die Worte und Taten unserer Mitmenschen zu enthalten. Wir möchten vielmehr durch unser Tun und damit auch durch unser Unterlassen und unser Schweigen ein Zeichen setzen.
Dem wird häufig der Einwand entgegengehalten, dass wir sowieso nichts an dem Großen, was falsch läuft in unserer Welt, durch unser Tun bewirken können. Schon Theodor W. Adorno hat philosophisch begründet, warum wir so handeln sollten, als ob unsere Ideale schon verwirklicht sind. Für uns als Christinnen und Christen kommt hinzu, dass wir uns von Gott getragen wissen, so dass wir auch nicht alles allein bewirken müssen.
Das ist unsere Aufgabe in dieser Welt, dem Glauben an Jesus Christus ein Zeichen zu setzen.
Die Regula und die Führung
Grundsätzlich sind die Regel und die Hl. Schrift auch für mich als Führungskraft in einem Unternehmen wichtig und maßgeblich. Dazu am Ende noch ein paar Gedanken:
Hier gilt auch das, was für die Anwendung der Regel in der „Welt“ allgemein gilt. Es gibt einen wichtigen Unterschied zum Leben im Kloster. Die anderen Menschen sind gerade nicht auf die Regel verpflichtet. Wenn ich den „gegenseitigen Gehorsam“ aus der Regel betrachte, kommt es darauf an, dass ich ihn als Führungskraft nicht einfordern kann, gleichwohl kann ich mich für diesen Wert einsetzen und zunächst auch insoweit Vorbild sein. So wie die Strafen der Regel auch in den benediktinischen Klöstern nicht nach dem Wortlaut, der immerhin 1500 Jahre alt ist, angewandt werden und auch nicht angewandt werden dürfen, so gilt dies erst recht im Führungsalltag. Hier geht es vor allem darum, sich in den Geist der Regel einzudenken. Es gilt nicht einfach: Regel, Verbot und Bestrafung. Es geht darum, auf die Schwächen Rücksicht zu nehmen, Erklärungen zu geben, an die Gemeinschaft zu appellieren und auch das Gebet, dass hier natürlich nur mein privates Gebet ist, als besonders wirksames Mittel zu erkennen und anzuwenden. Interessant ist auch das als ultima ratio bei aller Barmherzigkeit der Regel der Ausschluss gilt. Dies ist eine Warnung in beiden Richtungen, einerseits den Ausschluss nicht zu schnell in Betracht zu ziehen und andererseits auch zu erkennen, dass der Ausschluss zum Schutz der Gemeinschaft notwendig sein kann. Heute gilt natürlich, dass eine Trennung im Guten einem einseitigen Ausschluss vorzuziehen ist, aber dass dieser einseitige Ausschluss möglicherweise einmal notwendig sein kann. Eigentlich ist der Ausschluss im christlichen Sinn nur das äußerliche Sichtbarmachen des Ausschlusses, den jemand selbst vollzogen hat. Er dient dazu, jemanden gerade dadurch wieder in die Gemeinschaft zurückzuführen.
Wichtige Fragen unserer Zeit und der Versuch einer Antwort eines Oblaten
Wir erleben in unserer Zeit häufig den Verlust von Gewohntem, Bewährtem, Geschätztem und sogar (scheinbar) Lebensnotwendigen. Wie gehen wir damit um? Für mich sind das Evangelium, die Regel Benedikts und der Austausch mit meinen Oblatengeschwistern und den Mönchen des Klosters Ausgangspunkt der Discretio also der Unterscheidung des Wesentlichen und des Unwesentlichen im Leben. Die Struktur der Regel und des Lebens nach dieser Regel kann auch ein Halt in solchen Veränderungen sein. Weiterhin ist die Hoffnung eine wesentliche Tugend im Christentum. Wir hoffen auf das Leben in Fülle, auch wenn es manchmal so weit entfernt scheint. Letztlich vertrauen wir darauf, dass Gott es mit jedem einzelnen Menschen gut meint, obwohl das manchmal so schwer zu glauben ist. Wo dieses Vertrauen stark genug ist, können wir bereits in der Mitte einer Krise Gott preisen, weil wir sicher darauf vertrauen, dass er uns aus dieser Krise befreien wird. Das ist die Geschichte des Auszugs aus Ägypten. Wir glauben an den Gott, der Israel aus der Gefangenschaft Ägyptens geführt hat!
Wir leben in vielen äußeren und inneren Zwängen, dabei sind die inneren Zwänge häufig die so schwer erkennbaren und erst recht überwindbaren Zwänge. Was man tut! Wem muss ich genügen! Erst die Arbeit und dann das Vergnügen! Bis zu einem der wohl heftigsten Zwänge, nämlich vernünftig zu sein! Dem steht das Versprechen der christlichen Freiheit entgegen. Gott möchte uns aus unserem persönlichen Ägypten befreien. Er hilft uns, die Zwänge zu erkennen und dann sich aus ihnen zu befreien. Er befreit uns aus den Verstrickungen unserer Schuld, aus der Übermacht unserer Begierden und unserer persönlichen „Götter“ (Arbeit, Geld, der Chef, die soziale Anerkennung). Die Bibel erzählt von vielen heiligen Menschen, die ver-rückt waren. Auch das Verrückte, das Irre gehört zum menschlichen Leben, es ist nicht alles krank und böse, was von der gesellschaftlichen Norm abweicht. An vielen Stellen ist eher unsere Gesellschaft krank. Die Propheten waren solche Ver-rückten, sie sprachen etwas an, was kaum jemand sehen wollte. Der Mensch ist nicht nur Vernunft und Vernunft und das Gute sind nicht identisch. Auch das ist christlicher Realismus.
Gott ruft uns auf, barmherzig zu sein. Manchmal fängt das damit an, dass wir barmherzig mit uns selber werden. Die Spuren davon erkennen wir nicht nur in der Bibel, sondern auch in der Regel Benedikts. So ist für uns Benediktineroblatinnen und -oblaten unser Weg auch ein Weg zu innerem Frieden, der nicht bequem, manchmal auch sehr anstrengend ist. Wir hoffen aber, auf diesem Weg mehr mit uns selbst und mit Gott im Einklang zu leben.
Die christliche Hoffnung bestärkt uns darin, das Gute zu tun, auch wenn es in einer Welt, in der so viel falsch läuft, manchmal aussichtslos erscheint. Der benediktinische Weg ist ein praktischer Weg, um sich an dem Guten (immer wieder neu) zu orientieren. Was ist das Gute in der heutigen Welt? Manches, was gestern falsch war, kann heute richtig sein. Die Orientierung am Guten selbst bleibt aber als Fundament bestehen. Nur weil etwas neu ist, ist es nicht zwangsläufig gut.
Eine sehr tief gehende Frage ist die Frage nach der Überwindung des rein mechanistischen Weltbildes. Viele Menschen erkennen, dass dieses Weltbild neben den vielen guten Dingen, die daraus entstanden sind, auch an eine Grenze kommt. Es geht in keiner Weise darum die Naturwissenschaft oder die Technik zu verteufeln. Es geht vielmehr darum, den Blick zu weiten. Ein gutes Beispiel ist die Medizin. Eigentlich wissen die in der Medizin tätigen Menschen, dass Zuwendung, psychische und soziale Unterstützung wichtig für einen kranken Menschen sind. Es wird nur häufig anders gehandelt. Gesellschaftlich geht es auch darum, nicht alles, was von der Norm abweicht, als krank zu definieren. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen gesund werden und Heil-ung. Heilung geht über das medizinisch Notwendige hinaus. Auch hier hilft mir das christlich/benediktinische Menschenbild. Der Mensch ist hier nicht nur eine Maschine oder die Summe seiner Bedürfnisse. Er ist Leib, Seele und Herz. Auch diesen Blick auf das Ganze des Menschen erkenne ich in der Regel Benedikts.
Damit sind einige Bespiele der Fragen unserer Zeit angerissen. Es sind keine umfassenden Antworten, aber ich wollte schlaglichtartig zeigen, wie nah die Regel Benedikts für uns Oblatinnen und Oblaten am Leben ist.
Zusammenfassung
Die Regel ist für mich als Oblate wie auch die biblischen Texte immer wieder voll neuer Gedanken. Es kommt aus meiner Sicht darauf an, nicht bei den Gedanken stehen zu bleiben, sondern sich prägen zu lassen und aus dieser Prägung zu handeln. Das bedeutet auch, dass ich die Regel nie wirklich verstanden habe, sondern dass Gott mein Leben verstanden hat und in meinem Leben durch die Heilige Schrift, die Menschen um mich herum und als Benediktineroblate auch durch die Regel wirksam werden möchte.
Vorbemerkung: In unregelmäßigen Abständen darf ich für das Pfarrblatt des Pastoralen Raums, in dem ich lebe, das einleitende „Geistliche Wort“ verfassen. Der folgende Beitrag ist identisch mit dem von mir für den 2. Sonntag nach Weihnachten gestalteten „Geistlichen Wort“:
„Am Ende ist immer das Wort, immer am Ende das Wort.“ So lauten die letzten Zeilen des Gedichts „Unaufhaltsam“ von Hilde Domin, in dem sie den Wirkungen des gesprochenen Wortes nachspürt.
Steht sie mit dieser Feststellung nicht im Gegensatz zur Bibel? Denn eines der bekanntesten Bibelzitate sind die ersten Zeilen des Johannesevangeliums, die wir an diesem Sonntag in der Eucharistiefeier hören: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.“
Hilde Domin geht es darum, deutlich zu machen, welch unsägliches Unheil ein gesprochenes Wort anrichten kann. Ihre Ausführungen gipfeln in dem Ausruf: „Besser ein Messer als ein Wort.“ Und erklärend fügt sie hinzu: „Ein Messer kann stumpf sein. Ein Messer trifft oft am Herzen vorbei. Nicht das Wort.“ Nachvollziehbar! Oder?
Und Johannes? Hat er etwa unrecht? Für den Evangelisten steht fest, der erklärte Wille Gottes, das Wort, ist Ursprung und Anfang der Beziehung Gottes zu den Menschen. Das Wort Gottes ist zuerst; der Mensch antwortet. Maria, die Mutter Jesu, ist dafür ein gutes Beispiel. Gottes Wort, von dem Engel überbracht, verkündet ihr den Willen Gottes. Maria lässt sich von diesem Wort in ihrem Herzen treffen. Sie antwortet: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn!“ und erklärt damit ihre Bereitschaft, das Wort Gottes zu erfüllen. So ist die Antwort Mariens Voraussetzung dafür, dass mit der Geburt Jesu das Licht in die Welt kommt, das allen Menschen leuchtet.
Auf dieses Licht, das fleischgewordene Wort Gottes, gilt es unsererseits, uns im Herzen treffen zu lassen und zu antworten, nicht nur zu Weihnachten. Nach Weihnachten ist es nicht damit getan, die Krippe zurück auf den Dachboden zu stellen und zur Tagesordnung überzugehen. Weihnachten muss Konsequenzen haben in unserer aller Leben, während des gesamten Jahres, „unaufhaltsam“! Dann steht sowohl am Anfang wie auch am Ende das Wort Gottes, das die Welt immer neu erschafft, nicht Unheil bringend, sondern das Heil, das Licht, das allen leuchtet, die guten Willens sind.
Ich wünsche Ihnen und Euch allen einen gesegneten Sonntag!
Paulus, Oblate aus OWL
Der große unsagbare und unbeschreibliche GOTT wird ein kleines hilfloses armes abhängiges Menschenkind „im Stall“ …
Kann ich das wirklich glauben? –
Hilfreich für mich: „… und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt …“ (Lk 2,12).
Ein Zeichen zeigt auf etwas, weist auf etwas hin, löst Assoziationen, Gedanken, Gefühle aus.
Z.B.: Wieder einmal werden meine Vorstellungen, wie der „Retter“ ist, wie GOTT ist, gegen die Wand gefahren; ich darf wieder ganz von vorne anfangen mit meinem Gottesbild;
aber: ist es überhaupt sinnvoll, dass ich mir ein Bild, eine Vorstellung mache?
Bei Lukas zumindest ist es eine nicht geplante Überraschung, eine Erleuchtung, eine plötzliche Klarifizierung: „… da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie…“. So wird Angst genommen und „große Freude“ und „Frieden“ geschenkt, es bleibt ein großes „Staunen über das, was erzählt wurde“ (Lk 2: 9f,14,18).
2018 hatte ich mir ein Gedicht ausgeschnitten, dass seitdem in meiner Bibel am Anfang des Lk-Evangeliums liegt (Markus Barth, Christ in der Gegenwart 2018, Nr. 52) und mich die Adventszeit über begleitet hat:
Dialektik der Auffindung
als ich die landkarten verlor
wollte ich endlich die richtung.
in der weglosen wüste
wurde ein stern unübersehbar.
lahm geworden und ohne kraft
begann ich meine große reise.
als ich mich völlig verirrte
war ich endlich am ziel.
in die führerlose still
schrie ein säugling den urschrei.
blind geworden und abermals blind
sah ich nichts als himmlisches licht.
als ich nicht mehr wusste
wurde alles sonnenklar.
auf dem stroh von gestern
lag mein neugeborener morgen.
taub geworden auf beiden ohren
hörte ich engel singen vom frieden.
Ich freue mich und bin sehr dankbar, dass ich mit dem Konvent in Gerleve und mit Euch Mitoblaten so gute Begleiter auf dieser „großen Reise“ (s. 1. Strophe) gefunden habe.
Allen ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Mathias aus Bochum
Ein herzliches „Vergelt's Gott!“
Es sind viele schöne Beiträge eingegangen,
in denen ihr euch den anderen mitgeteilt und
die Verbundenheit mit Gerleve, der Oblatengemeinschaft
und mit Gott zum Ausdruck gebracht habt.
Es war eine Bereicherung, all diese Zeilen zu lesen
und es erreichten mich mehrere Rückmeldungen
mit positivem Feedback.
Daher ein herzliches „Vergelt's Gott!“
an alle, die sich die Mühe gemacht haben.
Wir wissen uns auch all jenen im Gebet verbunden,
die durch berufliche oder private
Anforderungen stark eingebunden oder
durch gesundheitliche Einschränkungen gehindert
selber keinen Text verfassen konnten.
Sollten in den nächsten Tagen weitere Beiträge
bei mir eingehen, werden die natürlich hier hochgeladen.
Allen eine gesegnete restliche Adventszeit
und eine frohe und dankbare Erwartung
des baldigen Weihnachtsfestes
Bleibt alle gesund!
Eure Bettina
Unter Führung des Evangliums seinen Weg zu gehen
fordert der Hl. Benedikt von allen seinen Jünger.
Ich möchte diesen Weg gehen.
Daher suche ich den richtigen Weg und die richtige Gemeinschaft. Deshalb habe ich mich auch mitten in der Pandemie aufgemacht nach Gerleve. Ich wurde schon gut aufgenommen.
Die ersten Schritte habe ich gemacht.
Ich habe den Oblatenrektor und einige Oblaten schon kennengelernt. Ich mache mich gern auf den Weg.
Ich freue mich auf die Zukunft mit diesem Kloster und der Gemeinschaft.
Es wird ein Weg sein, indem ich mit anderen gehen werde.
Möge der Hl. Josef mich dabei begleiten.
Marco L. H. aus Werne.
Fern und doch nah
Die Abtei Gerleve lernte ich bei einer Chortagung kennen. Damals war ich 17 Jahre alt. Später wurde ich dann Oblatin. Das ist auch schon über 20 Jahre her. Doch regelmäßig komme ich nicht mehr dorthin zum Ort des Anfangs. Mein Beruf schränkt mich zeitlich zu oft ein. Mittlerweile setzt mir auch mein Körper kräftemäßig deutliche Grenzen. Dennoch lebt der benediktinische Geist in all den Jahren in mir weiter, tief verankert und wach gehalten durch eine Liebe zu Gott, die trotz der Schieflagen und Verkrustungen in der kirchlichen Verfasstheit an Zuversicht und Hoffnung festhält.
In Bezug auf die Oblatengemeinschaft beschäftigt mich die Frage:
Wie kann ich unter den gegebenen Umständen einen Kontakt zu den anderen aufbauen und halten?
Vielleicht ist eine Form der neuen digitalen Treffen eine Möglichkeit, um miteinander vertraut zu werden.
„Da wohnt ein Sehnen tief in uns“ - so beginnt ein neues geistliches Lied (Gotteslob Nr. 823, Eigenteil Bistum Münster). Es thematisiert die Sehnsucht nach Gottes Nähe, nach Glück und Liebe. Doch es gibt auch die Sehnsucht nach menschlicher Begegnung, nach Austausch und Zuspruch. Die Samen des Löwenzahns sind für mich kleine Symbole der Sehnsucht. Die Samen fliegen durch die Luft, werden vom Wind weitergetragen, bis sie irgendwo ihren Ort finden, wo sie keimen und zur Pflanze heranwachsen können. Menschliche Sehnsucht „fliegt“, bildlich gesprochen, auch umher, bis sie einen Ort der Erfüllung findet. So bleibe ich zuversichtlich, dass wieder ein lebendiger Kontakt zu anderen Oblaten wachsen kann, damit in allem Gott verherrlicht werde.
Maria aus Greven
Kloster Gerleve fügt sich nicht nur in die umgebende Natur ein, sondern überhebt sich über sie. Sein Anblick rückt so die Verhältnisse zurecht. Wie eine Gottesburg verweist es auch auf die Vorläufigkeit dieser Schöpfung und die Endgültigkeit einer neuen, die sich jetzt bereits ankündigt.
Eine Burg sollte erwandert sein – so ist es auch mit Gerleve. Der Aufstieg zu Kloster und Abteikirche kann als Weg einer inneren Sammlung vollzogen werden.
So kann das fußläufige Erwandern Gerleves auch ein Bild für die irdische Wanderung des Christen sein,
die auf Gott angelegt ist und zu ihm führen soll.
Deshalb möchte ich hier nun mein Gedicht „Der Wanderer“ folgen lassen, das vielleicht ganz gut in diesem Zusammenhang passt:
Der Wanderer
Er führt mich Wege in unbekannte Lande,
ruft mich zu Aufbruch und Beginn.
Nun heißt es lösen die vertrauten Bande,
weiß ja, dass ich geleitet bin.
Gib, dass ich Deinen Anruf nicht versäume,
vielleicht nur ein Hauch, ein leises Klingen,
gar ein Befehl, der weckt, wenn ich grad träume.
Wirst sicher mich zur Heimat bringen.
Halt ich den Blick nur fest auf Dich gerichtet,
beschenkst Du mich auf sicherem Pfad,
entdeck in aller Vielfalt, die ich nun gesichtet,
den großen Sämann und die Saat.
Dein Weg für mich, er kreuzet manche Bahnen.
Hier gehen viele, die schnell erlahmen,
verkünden lauthals, sie reisten nur in eigenem Namen.
Doch was in der Tiefe, wer kann es erahnen?
Nicht nur in Höhen, auch ganz auf dem Grunde, da leuchtet ein Licht,
und lässt sich nur in Demut schauen.
Wer Dich aufrichtig sucht, dem verbirgst Du Dein Antlitz nicht,
lass uns auf der Reise an Deinem Reiche bauen.
Veit Veltzke, 11.12.2020
Ich wünsche allen Oblaten, Novizen und Interessierten in unserem Kreis eine gesegnete Adventszeit und ein frohes und gesundes Weihnachtsfest.
Euer Veit
Anläßlich des dritten Adventes mit seinem Motto "Gaudete" möchte ich heute meinen eigenen Gedanken einen Text aus der aktuellen Enzyklika "Fratelli tutti - Über die
soziale Geschwisterlichkeit" voranstellen.
Im Abschnitt 223 in der Ausgabe der Enzyklika von Herder aus dem Jahre 2020 auf der Seite 196 heißt es:
"Der heilige Paulus bezeichnete eine Frucht des Heiligen Geistes mit dem griechischen Wort chrestos (Gal. 5, 22), was einen Seelenzustand ausdrückt, der nicht
rau, grob oder hart ist, sondern gütig und sanft, der stützt und tröstlich ist.
Die Person, die diese Eigenschaft besitzt, hilft anderen, ihr Dasein besser zu ertragen, insbesondere die Last der Probleme, Nöte und Ängste. Diese Umgangsart zeigt sich auf verschiedene Art und
Weise: in einer freundlichen Behandlung, als Sorge, nicht mit Worten oder Gesten zu verletzen, als Bemühen, die Last des anderen zu erleichtern.
Es geht darum, "Worte der Ermutigung zu sagen, die wieder Kraft geben, die aufbauen, die trösten und die anspornen", statt "Worte. die demütigen, die traurig machen, die ärgern, die
herabwürdigen".
So weit mein Zitat aus dem Text.
Diese ermutigenden, kräftigenden und wundervoll warmherzigen Worte erinnern mich an meiner erste Begegnung mit der Abteikirche in Gerleve als auch mit den
Helferinnen und Helfern für das Vorbereiten des alljährlich im August stattfindenden Flohmarkt als auch den beiden dafür verantwortlichen Benediktinerpatres Daniel und Norbert.
Von meiner werten Frau Mutter wußte ich durch ihre Erzählung über sehr eindrucksvolle und prägende Exerzitien unter dem Motto "Ancilla domini'" um die eindrucksvolle
und aufmunternde Atmosphäre und die lehrreichen Impulse, doch meine fruchtbare Beziehung zu den Patres der Abtei Gerleve begründet sich sich in der sehr einprägsamen Erfahrung während der kurzen,
aber sehr intensiven Vorbereitungen mit den anderen Helferinnen und Helfern auf den Bücherflohmarkt und im Jahr darauf auf den allgemeinen Flohmarkt auf dem Gelände des Bauernhofes der Brüder
unter der Ägidie von Pater Daniel und Pater Norbert. wahrscheinlich in den Jahren 2009 und 2010.
Inspiriert daran teilzunehmen wurde ich durch die damalige Moderatorin der Katholischen Studentengemeinde in Osnabrück, Birgit H. aus Osnabrück.
Besonders beeindruckten mich die beiden, uns Helfer anleitenden und begleitenden benediktinischen Mitbrüder Pater Daniel und Pater Norbert mit ihren sehr
unterschiedlichen Charakteren, Talenten und Begabungen durch ihre sanftmütige und gütige, aber immer auch hilfreiche richtungsweisende und problemlösende Art uns Teilnehmende auf den Tag und die
dann zu bewältigenden Aufgaben liebevoll mit mitreißenden und emotional bewegenden geistlichen Impulsen in der Laudes in der Kapelle des Hauses Ludgerirast einzustimmen und
vorzubereiten.
Abends wärmten wir uns in unserer gemeinsamen Rekreation vor dem Feuer im Kamin auf der Tenne des Bauernhofes auf, genossen das eine oder andere gehaltvolle Getränk,
schmausten die eine oder andere süße oder herzhafte Knabberei und berichteten einander unsere Erfahrungen, Erlebnisse und Gespräche unseres Tages.
Dieses intensive miteinander leben, beten, arbeiten und essen führte dazu, daß wir einander immer mehr vertrauten, uns teils sehr private Dinge
erzählend.
So entwickelten wir im Laufe der sechs Tage Vorbereitungszeit zu einer wahren Gemeinschaft von Christen, wie es Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Fratelli
tutti..." beschreibt.
Wenn etwas schief ging, tröstete und Pater Daniel und zeigte uns eine anderen Weg auf, indem er uns vorschlug, bestimmte Bücher nach Themen geordnet, liebevoll
geordnet den Besuchern einladend zu präsentieren.
An solche Begebenheiten und Gespräche entsinne ich mich jederzeit gerne, wenn ich dieser Zeit nachspüre,
Dabei hilft mir besonders in die wohltuende Atmosphäre tiefster, offener Geschwisterlichkeit und Vertrautheit einzutauchen, wenn ich beim Betreten der Abteikirche
das große, schlicht und dennoch eindrucksvoll gearbeitete Kreuz hinter dem Altar fällt.
Dort erkenne ich Jesus am Kreuz hängend und jeweils links und rechts daneben unter dem Kreuz stehend Johannes und Maria. Dabei fällt mir auf, sie halten zwar
räumlichen Abstand zueinander, strahlen aber durch ihren Blick auf Jesus Christus eine besondere Nähe und zugewandt vermitteln.
Sie demonstrieren mir damit, wie wichtig und hilfreich es ist, meinen Mitmenschen den Raum zu schenken und einzuräumen, den sie zum Entfalten ihrer je eigenen
Fähigkeiten, Talente und Gaben benötigen.
Dies geschieht vor allem dann, wenn wir uns liebevoll, aufmerksam und sanft dem Anderen, unserem Gegenüber zuwenden und uns trauen, warmherzig mit unserem Nächsten
zu sprechen und ihn so ermutigen, sich mit seiner oder ihrer Idee mit in unseren Diskurs oder unsere Gemeinschaft einzubringen.
Für diese Erkenntnis danke ich Gott, meinem Vater und Bruder, von Herzen und freue mich auf die kommende Zeit unserer Vorbereitung auf die Ankunft unseres Herrn
Jesus Christi in unser aller Leben und auf die Zeit nach der Corona-Epidemie, sobald wir uns in der Gemeinschaft der Geschwister der Oblaten wieder vis a vis begegnen dürfen!
So segne und behüte uns alle und schenke uns einen besinnlichen und heiteren dritten Advent.
Porta patet, cor magis,
Euer Christof N. aus Osnabrück
* * *
Miteinander verbunden – was verbinde ich mit der Abtei Gerleve und den Oblaten?
Ich war lange Zeit auf der Suche nach einem Ort, an den ich mich zurückziehen konnte. Einen Ort, der so ganz anders ist, als die belebten Orten und Plätze in unseren Städten und Dörfern. Ich war in meinem Beruf als Kriminalbeamter und Opferschutzbeauftragter sehr stark gefordert. Mein Nebenamt als Diakon in unserer Pfarrgemeinde und Seelsorger bei der Polizei beanspruchten mich sehr. Ich entfernte mich immer mehr von meinen inneren Quellen und trocknete geistlich aus.
Ich spürte in dieser Zeit deutlich, dass ich neben meinem Wohnort mit unserer Pfarrgemeinde einen Platz brauchte, an dem ich geistlich leben, aufleben konnte. Ich war auf der Suche nach der Quelle lebendigen Wassers, das mich auf meinem Lebensweg stärken konnte.
Während des Bistumsjubiläum 2004 gelangte ich auf dem Markt der Möglichkeiten vor dem Borromaeum in Münster an den Informationsstand der Benediktineroblaten mit Pater Martin und Oblate Klaus O. Ein interessantes Gespräch hatte zur Folge, dass ich zu einem Oblatentreffen in der Abtei Gerleve eingeladen wurde.
Ich wurde von den Teilnehmern herzlich aufgenommen und fühlte mich gleich dazugehörig, fast schon wie zu Hause. Ich hatte in den Jahren zuvor bereits bei mehreren geistlichen Gemeinschaften vorbei geschaut, so dass mich dieses Gefühl überraschte und gleichermaßen freute.
Ich nahm immer wieder sporadisch an den Treffen teil. Zudem suchte ich nun immer öfter die Abtei privat auf. Gastaufenthalte im Gästebereich der Abtei schlossen sich an.
Auch in anderen Klöstern hielt mich für kurze Zeit auf, um dort die monastische Atmosphäre aufzunehmen und für mich zu „nutzen“. Unbewusst habe ich wohl auch die Klöster miteinander verglichen.
Ich stellte immer deutlicher fest, dass die Abtei Gerleve zunehmend zu einem geistlichen „Zuhause“ für mich wurde.
Ich erinnere mich sehr deutlich an beglückende Momente, in denen ich nach längerer Abwesenheit zu Fuß vom Parkplatz kommend die Allee in Richtung Abteikirche hinaufging und das intensive Gefühl verspürte, dass ich hier hingehöre.
Über das Postulat und dem Noviziat für Oblatenanwärter verlief mein Weg folgerichtig zur Oblation unter dem Namen Elija („Mein Gott ist der Herr.“). Was sich im Nachhinein als gradliniger Weg liest, war zuweilen eine Wegstrecke im Auf und Ab, im Vor und Zurück. Von daher fand ich den Namen Elija für mich passend. Die folgende Textstelle berührt mich dabei nach wie vor:
„Der Herr antwortete: Komm heraus und stell dich auf den Berg vor deinen Herrn! Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanfter, leiser Windhauch. Als Elias diesen wahrnahm, hüllte er sein Gesicht in den Mantel.., denn in dem Windhauch war Gott“ (1 Kön 19, 10-13).“
Nicht im Lauten, im Kreischenden, Schreienden vermute ich Gott, sondern im Leisen und Sanftem. Um ihn zu erfahren, zu erspüren, zu erahnen, muss ich meine Ohren weit aufsperren, so wie es die abgebildete Figur verdeutlicht.
„Der Hörende“, Bronzefigur in der Pax‐Christi‐Kirche Essen, 1958 von Toni Zenz,
Ich muss aufmerksam hören, hinhören, nein, noch besser lauschen. Mit all meinen Sinnen da sein, im Empfangsmodus, um das leise Säuseln Gottes zu vernehmen.
Das gelingt mir gerade im Alltag nur sehr schwer,
In der benediktinischen Atmosphäre der Abtei Gerleve sind die Chancen dafür deutlich größer. Die Regel des Hl. Benedikt beginnt nicht ohne Grund mit dem Wort „Höre“.
Als hörende Gemeinschaft erlebe ich auch die Oblaten der Abtei. Der Umgang miteinander ist wohltuend. Ich habe sie zudem als betende Gemeinschaft erfahren dürfen, nachdem persönliche Schicksalsschläge das Leben meiner Familie und damit mein Leben bedrohten. Es waren Menschen für mich, für uns im Gespräch mit Gott, als mir die Worte fehlten bzw. mein ängstliches Stammeln durch das Gebet der Gemeinschaft mit zu IHM getragen wurde. Für diese Erfahrung von Verbundenheit im Gebet füreinander bin ich sehr dankbar, weil es mich in schwerer Zeit getröstet und getragen hat.
Manfred „Elija“ aus A.
Die Freude - Quelle
Ich erinnere mich gerne daran, dass ich bei einem unserer letzten Oblatentreffen in der Osterzeit die Gelegenheit hatte, meinen Lieblingspsalmvers vorzustellen:
"Herr , du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt, hast mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet" Psalm 30,12
Daran möchte ich jetzt in dieser so besonderen Adventszeit anknüpfen. Für mich geht es nach wie vor darum, zu üben, mich auf die wirkliche, innere, von Gott her gemeinte Freude einzulassen. Nicht eine Freude, die sich schnell wieder verflüchtigt, sondern eine, die mir durch äußere Umstände, wie z.B. eine Pandemie nicht genommen werden kann. Das ist allerdings viel leichter gesagt als gefühlt! Da liegt oft eine ziemliche Spannung in meiner Luft - Mutlosigkeit stellt sich mitunter auch mal ein.
Trotzdem möchte ich immer mehr herausfinden, was es mit dieser Oster- und Weihnachtsfreude auf sich hat. So nutze ich diese, im Vergleich zu den Vorjahren um so vieles ruhigere Zeit dazu, täglich neu, so gut ich es hinkriege, meine innere Spur zu halten, das heißt für mich, innerlich bei dem zu bleiben, was mir in kostbaren Momenten "aufgegangen" ist, mich von den vielen äußeren Stimmen nicht "irre" machen zu lassen und mich auf das Eigentliche zu besinnen. Darauf, dass Gott sich entschlossen hat Mensch zu werden und unser anfechtbares Leben trotz aller Widrigkeiten ohne wenn und aber mit uns teilen möchte. Wenn ich diese Wahrheit auf mich wirken lasse, dann wirds leichter, entspannter und ruhiger in mir. Diese geschenkte Freude, die ich aus eigener Kraftanstrengung nicht machen kann, wird spürbar, berührt und bewegt mich. In den Stunden, manchmal sind es auch nur Augenblicke, in denen ich mich so gestärkt wahrnehmen darf, kann ich mich für das Leben um mich herum neu öffnen, dann kommen mir kreative Ideen dazu, wie ich vielleicht hilfreich sein kann für Andere, was ich mir Gutes tun kann. Es beginnt in mir etwas zu "fließen" und Blockaden lösen sich. Auch wenn das kein seelischer Dauerzustand sein kann (wir sind ja schließlich noch nicht im Himmel), helfen mir diese Erfahrungen, mich immer wieder, trotz innerer und äußere Störungen, auf diese Freude - Quelle zu besinnen.
Ich wünsche uns allen, dass wir in dieser Zeit des Wartens nicht müde werden, immer wieder nach dieser ganz besonderen Freude, die uns kein Lockdown der Welt nehmen kann, Ausschau zu halten!
Martina E. aus Havixbeck
Ein Gedanke heute Morgen in Gerleve: Was haben duschen und Gerleve gemeinsam? - Einiges. Oder? Ich möchte mich jetzt nicht weiter drüber auslassen. Jede*r hat da bestimmt ihre/seine Erfahrung und Empfindung .....
Ich hatte aber noch einen weiteren Gedanken: das Neue, das mit dem Advent beginnt. Liturgisch sichtbar im Beginn des Kirchenjahres. Die biblischen Texte sprechen von Wegen, zeigen Visionen auf, wecken Hoffnung. Einige Bilder, die die Bibel anbietet, erscheinen überzeichnet, unrealistisch, wirken für manchen fast naiv. Ich denke da an: „Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter“ und „Der Löwe frisst Stroh wie das Rind.“ Dadurch vermitteln sie für mich aber auch Leichtigkeit und verstärken Sehnsucht. Vielleicht macht das Hoffnung aus. Menschliches Begreifen, Vorstellung, Träume werden aufgebrochen, überboten. Der Glaube gibt mir Gewissheit, sagt: ja, das geht, das kann Wirklichkeit werden. Vielleicht ist es schon da, du musst nur hinschauen. Denn da ist einer, der Grenzen sprengen kann. Er ist schon da - und doch ist er noch nicht da.
Von Leben, Beginnen, Wirklichkeit und Hoffnung spricht ein Lied von Max Giesinger: „Auf das, was da noch kommt.“ Für mich ein moderner adventlicher Psalm. Letzte Woche habe ich mich mit meiner „talk about“ Gruppe angeregt durch diesen Text und das Video über das Thema Hoffnung ausgetauscht. Vielleicht springt und spricht euch auch etwas davon an.
Unten der Link zum Video und der Text (gekürzt) des Liedes. Ich wünsche euch eine lebensfrohe und hoffnungsvolle Adventszeit, voller Visionen und Erwartungen „auf das, was da noch kommt“! – Auch auf eine erfrischende, wohltuende, duftverbreitende Dusche – wie die Aufenthalte in Gerleve!
Petra - noch aus dem schönen Münsterland, bald aus dem Pott!
https://www.youtube.com/watch?v=fFqmzYwM1IQ
Max Giesinger, Lotte: Auf das, was da noch kommt
Es geht grad erst los, ich will so viel noch sehen
Will gegen die Wand fahren und wieder aufstehen
Will der größte Optimist sein, wenn's tagelang nur regnet
Will Stunden verschwenden und nicht so viel planen
Mich in Träumen verlieren und von vorne anfangen
Ich will nie mehr Pessimist sein, wenn wir uns mal begegnen
Wenn ich so an all das denk'
Will ich, dass es jetzt beginnt
Auf das, was da noch kommt
Auf jedes Stolpern, jedes Scheitern
Es bringt uns alles ein Stück weiter zu uns
Auf das, was da noch kommt
Auf das, was da noch kommt
Auf Euphorie und alles Leichte
Hoff', das wird lange noch so bleiben für uns
Auf das, was da noch kommt
Zurück in den Süden und langsamer leben
Mehr Zeit für die Liebe, mal sehen, was da geht
Und wenn ich da nicht ankomm', bin ich zumindest aufm Weg
Und wenn ich so an all das denk'
Will ich, dass es jetzt beginnt
Auf das, was da noch kommt
Auf jedes Stolpern, jedes Scheitern
Es bringt uns alles ein Stück weiter zu uns
Auf das, was da noch kommt
Auf das, was da noch kommt ......
Auf Euphorie und alles Leichte
Hoff', das wird lange noch so bleiben für uns
Auf das, was da noch kommt
Wenn ich so an all das denk'
Will ich, dass es jetzt beginnt
Wenn ich so an morgen denk'
Kann ich's kaum erwarten, dass es jetzt beginnt
Auf das, was da noch kommt ..........
Die Regel des Hl. Benedikt beginnt, mit der Aufforderung aus kindlicher Haltung heraus auf die Worte Jesu Christi zu hören: „Höre meine Tochter/mein Sohn auf die Weisung des Meisters!“
Das waren die Worte und sind immer noch die Worte, die mich in den benediktinischen Bann gezogen haben.
Das Geheimnis dieser Worte liegt in dem Unausgesprochenen, was davor liegt.
Es ist die christliche Haltung, die dazu führt, dass ich nicht nur bereit bin zu hören sondern auch gespannt darauf bin, was ich höre und wie ich dem Gehörten auch folgen kann.
Was ist nun aber der Kern dieser christlichen Haltung? Gott ist die Liebe, die in Jesus Christus Mensch geworden ist. Diese Liebe ist uns durch den Heiligen Geist, der gerade auch durch die Menschen wirkt, zugänglich geworden. Gottesliebe, Nächstenliebe sind der Ausdruck einer positiven und gleichzeitig realistischen Haltung allem Gegenüber was Nicht-Ich ist.
Darin liegt die christliche Provokation für diese Welt, die das Ego als goldenes Kalb umkreist. Umso kleiner mein Ego wird, umso stärker, „größer“ und dankbarer werde ich als derjenige, den Jesus Christus immer schon in mir sieht und gesehen hat.
Auf den Grabsteinen dieser Welt steht nicht: Hätte ich mal mehr Überstunden gemacht. Hätte ich mich mal mehr guten und schönen Schein gewahrt. Hätte ich mich mal mehr bewundern lassen. Hätte ich mich mehr um ein perfektes Outfit und um ein in den Augen meiner Nachbarn perfektes Heim gekümmert. …
Ich hoffe, auf meinem Grabstein könnte einmal stehen: Hier ruht ein dankbarer Mensch nach einem sinnvollen Leben.
Sinn ist kein Zweck, es ist auch kein höchster Zweck. Ich konnte in meiner Jugend mit dem Versprechen des Glaubens auf ein Leben nach dem Tod nichts anfangen. Es war dieses Gefühl, dass die Menschen zu häufig in ihrem Leben den Zwecken hinterherjagen und dann auch das Leben nach dem Tod als ein solcher Zweck erscheint. Sinn bedeutet, dass ein Tun in sich selbst einen Wert trägt.
Die Eucharistie, das Psalmengebet, die anderen Zeiten, die ich in Gerleve erleben darf, sind solche Zeiten des Sinns. Für mich als Oblate sind sie die Askese, die Übung im sinnvollen Tun, so dass ich lernen konnte, auch in allem Tun außerhalb des Klosters den Sinn zu entdecken, hat dadurch einen Sinn. Das ist meine Arbeit, meine Familie, die Mitmenschen, das Gebet, alles wird durch diese christliche Haltung transparent für den Sinn, den Gott der Welt gibt. Nicht der Erfolg in diesem Tun, es ist wie Immanuel Kant sagt, der gute Wille allein, der das Gute ausmacht, das heißt dem Tun Sinn gibt. Das erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit.
Tobias. S. aus Bochum
Hier einige Gedankensplitter zum "Nachtgebet":
Die Überschrift weckt in mir Erinnerungen an ein Wochenende in Gerleve
mit den Psalmen der Komplet bei P. Daniel.
Er gab Impulse.
Nelly Sachs schrieb 1949 ein Gedicht, darin steht:
"und bauten der Psalmen Nacht Herbergen für die Wegwunden."
Welche Nacht fürchte ich?
- die Nacht am Ende des Tages
- die Nacht der Angst?
Vertrauensvoll darf ich mich an Gott wenden,
ich bete Psalm 4, Vers 9 in der Komplet.
Da weichen (fast) alle Nacht - Ängste und ich darf der Zusage trauen:
"Du bist beschenkt mit Leben.
Ein jeder Morgen lockt Dich zärtlich,
Licht zu sein."
Halten wir fest zusammen und vereinen wir uns im Gebet,
bis alle Schatten weichen.
Eine gute Zeit im Advent wünscht
Mechthild aus Borken
Mit der Abtei Gerleve bin ich schon seit vielen Jahren verbunden.
Auf der Suche einem Rückzugsort als gestresster Manager mit vielen privaten Herausforderungen bin ich im Internet auf das schöne Kloster unweit von meinem Wohnort aufmerksam geworden.
Aus einem einzelnen, jährlichen Aufenthalt über wenige Tage wurden über die Jahre immer mehr Besuche – aus 2 Terminen wurden 4 usw. Zuletzt war ich sogar alle zwei Monate vor Ort. Leider ist dieses aufgrund der Corona-Pandemie aktuell nicht möglich.
Für mich ist die Abtei Gerleve ein unglaublicher, spiritueller Ort. Die Stille und Harmonie innerhalb der Klostermauern ist unbeschreiblich. Ob es die Gottesdienste und Gebetszeiten sind, das Mittag- oder Abendessen gemeinsam mit den Mönchen, das Frühstück mit anderen Gästen in einem besonderem Raum, die stillen Spaziergänge im Kreuzgang oder im Klostergarten, das schöne Buchgeschäft, das Klostercafé - es gibt viele Orte, die eine intensive Ausstrahlung auf mich haben. Nirgends bin ich Gott so nahe wie hier. So ist es mir möglich nach nur einem Tag und einer Nacht im Kloster enorme Energie und Kraft zu tanken, welche ich nicht erklären kann.
Bereichert wurden meine Aufenthalte dann durch das freundliche Aufnehmen im Oblatenkreis – anfangs um mal in diese Gemeinschaft „reinzuschnuppern“ und mir ein Bild dieser freundlichen Menschen zu machen. Die besondere Atmosphäre innerhalb der Gruppe und die Lebenserfahrungen jedes Einzelnen sind beeindruckend. Von der persönlichen Identifikation, dem Glauben und Wissen dieser Menschen bin ich noch weit entfernt. Die Teilnahme an diesem Oblatenkreis ist etwas Besonderes für mich. Sofern die größere Runde eines Tages wieder möglich ist, freue ich mich schon jetzt darauf, alle wiederzusehen.
Oliver R. vom Möhnesee
In weiter Ferne,
doch so nah
Meinen Eltern
muss ich danken,
durch meinen Internatsaufenthalt
gelernt zu haben
'solche Zeitläufte'
zu er-leben ...
...
Und bei der
Intensität
bleibt
was
auf der Strecke ...
Gern
können wir
versuchen,
bei unserem
hoffentlich baldigen
Wiedersehen,
das Puzzle der vergangenen,
der sich verändernden
Geschehnisse, Fragen und Antwortversuche anzuschauen.
Der Gedanke ist
tröstlich,
sich wiederzusehen,
bereit
hörenden Herzens ...
und das in der Adventszeit ...
Allen
eine gesegnete Zeit
Liudger
„Obsculta, o fili, …(et) pervenies“
Zum ersten Mal in Gerleve und in der Klosterkirche war ich, wenn ich mich recht entsinne, im Alter von ungefähr 8 Jahren anlässlich eines Schulausflugs. Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass die Abtei Gerleve Jahrzehnte später für mich ein Ort werden würde, an dem ich mich heute angekommen und zuhause fühle. Mir war das Kloster längst nicht mehr präsent, als ich vor rund 20 Jahren auf der Suche nach einem Ort war, an dem ich zur Ruhe kommen und mich mit meinem Glauben und mir selbst auseinandersetzen könnte. Die Begegnung mit einem Benediktinermönch außerhalb des Klosters gab letztlich den entscheidenden Anstoß, mich zur Teilnahme an einem Kurs im Exerzitienhaus Ludgerirast anzumelden, und von dem Zeitpunkt an hat mich Gerleve nicht mehr losgelassen. Zwar kann ich nicht täglich dort sein; immerhin habe ich mehr als 100 km zu fahren. Doch in normalen Zeiten, die nicht von Corona bestimmt sind, fahre ich regelmäßig zu den monatlichen Oblatentreffen oder nehme an dem ein oder anderen Kurs teil oder wohne einfach so ein paar Tage im Gästetrakt des Klosters, habe dort Zeit für mich, für Besinnung, die Gottsuche, Begegnungen und Gespräche, regelmäßige Gottesdienste und helfe im Garten oder den weitläufigen Anlagen.
Was fasziniert mich an Gerleve so? In meinem persönlichen Umfeld stellen sich viele diese Frage. Ich versuche dann zu erklären. Doch nur manches kann man in Worte fassen, vieles aber auch gar nicht. Als ich vor einigen Jahren wieder einmal nach Gerleve fuhr, hatte es sich ergeben, dass meine älteste Tochter mich begleiten und während eines Vormittags an einem der Oblatentreffen teilnehmen konnte. Wieder zu Hause sagte sie meiner Frau:“ Mama, jetzt verstehe ich, warum Papa immer dorthin fährt.“ Da muss man nun nichts hinzufügen; man muss das Kloster Gerleve selbst erleben und sich darauf einlassen.
„Sich darauf einlassen!“ Das ist natürlich kein einseitiges Tun. Dankbar bin ich den vielen Menschen - Mönchen, Oblatengeschwistern, Kursteilnehmern, Mitarbeitern in den Klosterbetrieben -, die bereit sind, sich immer wieder neu aufeinander und eben auch auf mich einzulassen. Wir alle kommen dorthin mit unseren Stärken und Schwächen. Diese bunte Vielfalt von Personen und Persönlichkeiten zu erleben, sich auf dem gemeinsamen Weg der Gottsuche gegenseitig zu stärken und miteinander zu wachsen, manchmal aber auch sich gegenseitig auszuhalten, das ist das Schöne, aber auch das Herausfordernde. Doch es gelingt in der Orientierung an der Regel des Hl. Benedikt. So heißt es in dem mit „Der gegenseitige Gehorsam“ überschriebenen 71. Kapitel: „Das Gut des Gehorsams sollen alle nicht nur dem Abt erweisen. Die Brüder müssen ebenso einander gehorchen; sie wissen doch, daß sie auf dem Weg des Gehorsams zu Gott gelangen.“ Und das bedeutet zunächst einmal nichts anderes als in Geduld, Demut und Achtung vor dem anderen, aufeinander zu hören und sich gegenseitig zu achten.
Paulus, Oblate aus OWL
Verwende ein Lächeln, um die Welt zu verändern,
und lass nicht die Welt dein Lächeln verändern.
Gerade in dieser Zeit: hinter einer Maske verborgen, mit viel Abstand zum Nächsten, auch zu nahen Menschen, das bedeutet für mich einerseits die Würde des Anderen zu achten und ihn so zu schätzen, doch gleichzeitig als Alleinlebende starke Isolation und zunehmende Unsicherheit.
So ist es mir ein noch größeres Bedürfnis getragen in der Gerlever Gemeinschaft – auch im großen Abstand – miteinander zu beten, einander zu sehen. Andere fahren ins Kino, zum Fußball, zum Shoppen, ich fahre die Kilometer zum Ort meiner Stärkung. Mir ist dies große Geschenk bewusst, dass ich so nah an diesem heilsamen Ort wohne. Deshalb nehme ich in besonderer Weise meine Oblatengeschwister mit ins Gebet, auch wenn sie es nicht wissen, für mich zählt diese Verbindung und ich bin sicher, dass Gott auch darin wirkt und Heil schafft. Das tägliche Schweigen nach der Komplet, auch das Schweigen generell ist mir wertvoll. Häufig erlebe ich, dass Manches zerredet wird, oder durch den sonst so oberflächlichen, schnellen Kontakt gerade per Whatsapp zu Missverständnissen führt. Die digitale Welt schafft keine echte, tiefe Berühurung. Doch die innere Verbindung kann das nicht ersetzen, aber ermöglichen.
Was will diese Abgeschiedenheit uns lehren?
Gott wird Mensch im Menschen, da wo SEINE menschgewordene Liebe dem Nächsten weitergeschenkt wird, da wo jemand das Herz eines anderen berührt, da wird Weihnachten. Dass ER bei mir und in Vielen ankommen kann, das ist mein Wunsch für dieses besondere Weihnachtsfest. Dann werde ich aus voller Kehle (auch leise) singen können: „Gloria in excelsis Deo“. Wir sind nicht allein. Unser Gott geht mit uns – nicht fern, in unserem Nächsten – egal wie weit er oder sie räumlich entfernt ist, wohin wir auch gehen. Wo wir auch sind. Dies Vertrauen schenkt mir innere Freude und Kraft, die ich ausstrahlen möchte, damit es hell wird in dieser dunklen Zeit.
In herzlicher Verbundenheit
Eure Regina
P.S.: Bei der Mutter Gottes darf ich jeden Abend meinen Tag abgeben und in Gottes Hand legen. Dies ist der Ort an dem ich mich jedesmal von Gerleve verabschiede.
Das Kloster Gerleve ist seit dem ersten Lockdown
ein Ort der Stille, des Gebetes und geistliche Heimat
für mich geworden.
Hier kann ich still vor Gott verweilen. Ganz absichtslos.
„...neige das Ohr deines Herzens...“
dies übe ich täglich im kontemplativen Gebet,
in der Feier der Eucharistie und in meinem Alltag.
Michaela K. aus Billerbeck
Als ich ins Noviziat ging, hab ich mir aus
der Regel des Hl. Benedikts den Wahlspruch
„Seht, in seiner Güte zeigt uns der Herr den Weg des Lebens“ ausgesucht.
Gerade jetzt, wo Corona unser Leben umkrempelt, ist mir diese Weisheit umso wichtiger.
Natürlich vermisse ich in dieser Zeit einiges: Die Oper, Konzerte, die monatlichen Treffen mit den Oblatengeschwistern, mein Ehrenamt in der Krankenhausseelsorge, spontane Treffen mit Freunden.
Aber was habe ich wieder entdeckt:
Tägliche Spaziergänge durch den Wald mit vielen Entdeckungen. Wie der Wald duftet, hm – und welche Geräusche er macht! Ich spüre, hier kann ich ganz sein, wie ich bin – ich fühle mich auf besondere Weise berührt.
Das möchte ich mitnehmen - in die Zeit nach Corona.
Und dann freue ich mich darauf, wenn ich meine Oblatengeschwister in großer Runde wiedertreffe.
Bis dahin:
Suscipe me, Domine, secundum eloquium tuum, et viva, et non confundas me ab exspectatione mea.
Doris W. aus Dorsten
Mikroskopisch klein und so krankmachend ist dieses Coronavirus.
Die daraus entstandenen Konsequenzen sind für uns selbstbestimmte Menschen eine Zumutung. Vor allem die Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung.
Vielen Menschen, die zu meinem Leben gehören und die mir wertvoll geworden sind, werde ich in der kommenden Zeit nicht mehr so nahe sein können.
Das ist für mich Verzicht.
Edith Stein schrieb:
Gott ist Mensch geworden, damit wir Mensch werden.
Er hat es uns in Jesus Christus vorgemacht.
In dieser ruhigen Zurückgezogenheit im Advent stellt sich auch mir diese Frage nach meinem gelebten Menschsein.
Adventszeit auch Zeit zur Besinnung, dieser Frage nachzugehen, so daß Gott spürbar unter uns lebt.
Ich wünsche allen eine gesegnete Adventszeit
Gisela A. aus Geldern-Kapellen
Gerleve ist für mich ein Sehnsuchtsort. Weil die Strecke einfach zu weit ist, kann ich nicht täglich, sondern meist nur einmal die Woche zum Konventamt dorthin fahren kann. Dann direkt vor Ort auf den ein oder anderen aus der Oblatengemeinschaft oder dem Konvent zu treffen und ein paar Worte zu wechseln ist immer wieder schön.
Jeden Abend freue ich mich auf die Livestreamübertragungen der Vesper und Komplet, weil es eine zusätzliche Möglichkeit des Gebets mit- und füreinander ist.
Auch auf andere Weise hole ich mir diesen wunderbaren Ort ein bisschen nach Hause, in dem ich Steine mit Gerlever Motiven bemale.
Per Email und Telefon gibt es persönlichen Austausch, den ich sehr schätze, weil ich mich besser einer einzelnen Person zuwenden kann, was mir echte Begegnung möglich macht. Sich Zeit nehmen für ein konkretes Gegenüber ist mir wichtig, ebenso aber die Abgrenzung gegenüber Unnötigem, Unkonstruktivem und Belastendem.
Nun fallen Lockdown und Advent zusammen. Das sehe ich als eine Chance, das Kommen des Herrn und meinen Weg auf IHN zu, dieses Jahr vielleicht noch einmal intensiver in Augenschein zu nehmen.
„Machet dem Herrn die Wege bereit“, singen wir in der ersten Strophe des Liedes „Wir sagen euch an den lieben Advent“. Wie und wo in meinem alltäglichen Leben kann ich dies tun? Indem ich Augen und Ohren offen halte, wo ein freundliches Wort, ein liebevoller Gedanke, ein gutes Werk gut tut. Jeden Tag neu (s)ein Licht leuchten lassen.
Ich wünsche allen eine gesegnete, besinnliche Adventszeit.
Bettina S. aus Hagen